Am Anfang war das Schwimmen

Was kommt vor dem ersten Schrei? Neun Monate Schwimmen! So einfach lassen sich Aussagen widerlegen, der Mensch sei schließlich zum Laufen geboren, sonst hätte Gott ihm etwa Kiemen oder Flügel oder gar Räder geschenkt. Nicht immer zugänglich für pränatale Argumentationsketten haben Triathleten ein durchaus gespaltenes Verhältnis zur ersten Disziplin ihrer Sportart – sollte man meinen.

Schwimmer Stillleben

Eher selten trifft man momentan bei den Halbnackten des Frühjahrs eine im Halogenlicht funkelnde Glückseligkeit im chlorierten Edelstahlbecken. Doch die Welt hört an der Wand nach 25 geschwommenen Metern nicht auf. Dies zeigen die Gespräche mit zwei Triathleten und einer Triathletin der TG Rüsselsheim deutlich. Obwohl die ursprüngliche Annäherung an den Ausdauerdreikampf bei allen dreien sehr unterschiedlich sind, ist das Fazit unerwartet einmütig. Die Gespräche können hier leider nur gekürzt dargestellt werden.

Interview mit Torsten Becker, der die Mehrzahl unserer Schwimm-Trainingspläne schreibt:

Frage: Seit wann schwimmst Du und wo hast Du das wettkampfbezogene Schwimmen gelernt?
Torsten: Ich habe im August 1984 mit dem Schwimmen bei der SKV Mörfelden begonnen. Mein erster Wettkampf fand am 2. September 1984 statt, wo ich auf 100 Metern Brustschwimmen in 2:02 Minuten den 7.Platz von 7 Teilnehmern belegte. Seitdem habe ich ein Brustschwimmtrauma …
Frage: In welchen Punkten unterscheidet sich unser Triathlon-Schwimmtraining vom Schwimmtraining in einem Schwimmverein, auch in Bezug auf die von Dir gestalteten Trainingspläne?
Torsten Becker schnell im Zürichsee unterwegs

Torsten: Da gibt es einige Unterschiede: Da sich die Wettkampfform schon stark unterscheidet, sind auch die Trainingsschwerpunkte andere: Schwimmer haben in der Regel Distanzen von 50 bis 400 Meter und schwimmen alle 4 Schwimmarten und -lagen. Triathleten fangen erst bei 400 Metern so langsam an und schwimmen im Wettkampf (ausschließlich) Kraul. Deshalb ist das Triathlontraining viel ‚kraullastiger‘ als ein Schwimmtraining für Schwimmer. Auch spielen Elemente wie ‚nur Beine‘, Wenden oder Starts im Triathlontraining eher eine untergeordnete Rolle, während der Start bei Schwimmern ein wesentlicher Erfolgsschlüssel über die 50 Meter-Strecken darstellt!
Für Schwimmtechniktraining sind Triathleten in der Masse zudem nur schwer zu begeistern, da zählen die geleisteten Stunden oder Meter wesentlich mehr.
Dadurch, dass mit Daniela Schwär, Robert Michel und mir Schwimmbegeisterte über Jahre die Trainingspläne geschrieben haben, sind unsere Pläne etwas in Richtung Schwimmer angepasst. Lagen sind bei uns Rüsselsheimer Triathleten, wie Du sicherlich weißt, ein fester Bestandteil des Trainings. Zu erwähnen ist noch, dass wir bei der TG Rüsselsheim als Triathleten schon gute Bedingungen genießen, weil wir zweimal in der Woche das Schwimmbad nutzen können.

 

Frage: Was bedeutet für Dich das Schwimmen im Triathlon-Wettkampf als erste Disziplin?
Torsten: Meistens viel Freude, da ich ganz oft in der Spitzengruppe dabei bin! Als stressig empfinde ich oft die Vorstartphase, da ich mir immer genau überlegen muss, wo ich mich am taktisch sinnvollsten aufstelle. Ich hasse Drängeleien…
Persönlich wäre Schwimmen mir als letzte Disziplin nach Radfahren und Laufen lieber, aber das wäre wohl für manche tödlich…
Frage: Was wäre für Dich ein Triathlon ohne Schwimmen?
Torsten: Sagen wir es mal anders herum; ohne Schwimmen beim Triathlon wäre ich vermutlich nie zum Triathlon gekommen! Danke, Dani…
Frage: Welche Disziplin im Triathlon ist Dir die liebste?
Torsten: Die Frage ist natürlich einfach zu beantworten: SCHWIMMEN; wobei ich zugeben muss, dass mir das Radfahren immer mehr Spaß macht und es nicht mehr weit hinter dem Schwimmen rangiert! (Zum Interviewer gewandt:) Liegestütze kann man aber auch auf dem Rad machen…
Frage: Wie beeinflusst der Schwimmpart den Rest Deines Triathlon-Wettkampfes?
Torsten: Das ist ganz entscheidend: Wenn man vorne dabei ist, beflügelt dies natürlich den weiteren Wettkampf-Verlauf. Ich habe ja das Ziel, erst möglichst spät von meinen Liga-Mitstartern eingeholt und abgeklatscht zu werden! Mein Vorteil ist, dass ich relativ entspannt schnell schwimmen kann und dann relaxed auf das Rad steige. Allerdings gab es auch einen Wettkampf, wo ich beim Schwimmen gar nicht vom Fleck und gefrustet aus dem See kam. Ich habe mir den Frust auf dem Rad weggefahren und hatte noch einen tollen Wettkampf.
Frage: Welche Ziele oder welchen Wunsch hast Du persönlich in Bezug auf das Schwimmen?
Torsten: FIRST Out of the Water ist immer ein Ziel, welches ich auch schon das eine oder andere Mal erreichen konnte! Bei einem Ironman macht das für mich allerdings keinen Sinn…
Frage: Woran denkst Du während des Kraulens?
Torsten: Das willst Du nicht wissen – Nein, im Ernst: Ich finde, man kann während des Schwimmens sehr gut über Dinge nachdenken, da man ja ‚alleine‘ mit sich ist! Es gibt aber keine besonderen Themen. Das Denken funktioniert natürlich eher auf den etwas längeren Strecken, allerdings auch im Schwimmbecken.
Frage: Wie schmeckt Chlor?
Torsten: Viel besser als Salz. Salzwasser schmeckt beim Schwimmen gar nicht.

 

Interview mit Elke Redante:

Frage: Seit wann machst Du Triathlon?
Elke: Fronleichnam 2003 bin ich beim Schnupper-Triathlon in Zeilhard gestartet (0,4-20-3km), und im August 2004 dann beim Mainz-Triathlon, meinem ersten Triathlon mit richtiger Zeitnahme! Kurz vorher hatte ich bemerkt, dass Triathlon aus genau den Sportarten besteht, die ich schon ein Weilchen betrieb, vor allem mit dem Ziel, fitter zu werden und weiter abzunehmen. Bei meinem ersten Start war ich natürlich noch mit dem Trekkingrad unterwegs.
Frage: Hast Du schon vor dem Triathlon an Schwimmwettkämpfen teilgenommen und wo hast Du Schwimmen gelernt?
Elke: Schwimmen gelernt habe ich in der Nordsee bei meinem Opa, so ca. mit vier Jahren. Danach habe ich nur Schul- und Freizeitschwimmen zum Vergnügen betrieben und später als Hobbytaucherin unter anderem den Rettungsschwimmschein gemacht. Reine Schwimmwettkämpfe sind nur etwas für Spezialisten. Bei den Triathleten schwimme ich seit 2006. Leider musste ich dort erkennen, dass ich eigentlich kein Talent zum Schwimmen habe, ich werde einfach nicht schneller. Aber mit Spaß daran und einer gewissen Sturheit kann man weit kraulen….
Frage: Wie oft trainierst Du in der Woche, wie oft davon Schwimmen?
Elke: Im Winter geht leider nur zweimal Schwimmen pro Woche, dazu meist dreimal Laufen und zweimal Radeln plus einmal Rückenstabi-Training. Im Sommer steigert sich das auf bis zu fünfmal Schwimmen pro Woche, wovon ich zwei- bis dreimal richtig trainiere. Sobald jemand fragt, ob ich mit zum See komme, bin ich dabei!
Frage: Du hast an mindestens einer Langstrecken-Schwimmveranstaltung teilgenommen, wie unterscheidet sich das Schwimmen von Ausdauerleistungen auf dem Land?
Elke: Beim Langstreckenschwimmen ist man oft wirklich alleine unterwegs. Man kann den Gedanken freien Lauf lassen, besser als beim Laufen. Man muss sich nicht auf Technik, Verkehr oder andere Menschen verlassen oder einlassen. Es reduziert sich alles auf Atmen, Gleiten, Fühlen, eine geniale Sache. Wellen und Wind spüren ist toll!
Frage: Isst Du gern Fisch?
Elke: Ja!! Wobei ich dabei seit ich tauche immer mehr Bedenken habe. Wennman schon mal von einem Oktopus bespielt wurde oder einem freien Delphin, Manta oder Hai ins Auge geblickt hat oder kleine Fische bei der Verteidigung ihres Nestes beobachtet hat …. Solche cleveren kleinen oder großen Schwimm-Kumpels aufessen?! Rindviecher finde ich dagegen eher blöde. Andererseits ist eine große Meeresfrüchte-Paella ein Traum!
Frage: Was wäre für Dich ein Triathlon ohne Schwimmen?
Elke: Inkomplett. Ich finde sogar, Schwimmen könnte mehr Gewicht bekommen beim Triathlon.
Frage: Welche Disziplin im Triathlon ist Dir die liebste?
Elke: Alles außer Laufen ist toll.
Frage: Wie beeinflußt der Schwimmpart den Rest Deines Triathlon-Wettkampfes?
Elke: Beim Schwimmen kann man sich erstmal gute Laune holen, dann geht’s weiter.
Frage: Was vermisst Du beim Schwimmen?
Elke: Ich vermisse die Rundumsicht und die wechselnde Landschaft, beides genieße ich beim Radfahren. Manchmal, vor allem im Freiwasser, ist es eben nur grau-grün, oder dunkel – und sonst nichts.
Frage: Woran denkst Du während des Kraulens?
Elke: Ich genieße das Abschalten. Ansonsten: „Mach die Beine lang“ oder „Schieb‘ den Wasserwirbel unter Deinen Bauch“
Frage: Wie schmeckt Chlor?
Elke: Jedes Wasser schmeckt anders und fühlt sich anders an….

Elke Redante hat genug Luft

 

Interview mit Thomas Philipp:

Frage: Wieso gerade Triathlon und seit wann bist Du dabei?
Thomas: Laufen und Radfahren allein waren mir irgendwann zu langweilig. Deswegen habe ich mir Triathlon ausgesucht und 1994 meinen ersten Wettkampf gemacht.
Frage: Wo hast Du Schwimmen gelernt und warum?
Thomas: In der Grundschule, wo Schwimmen im Sportunterricht zum Pflichtprogramm gehörte. Das Kraulen habe ich dann von einem befreundeten Taucher gelernt und so richtig erst im Jahr meines ersten Ironmans von Torsten beim Triathlon-Training der TG Rüsselsheim. Irgendwann ging es dann.
Frage: Welcher Trainingsanteil besteht für Dich aus Schwimmen?
Thomas: Training wird grundsätzlich überbewertet. Ansonsten bildet Schwimmen 15% meines Trainings: Zweimal pro Woche 45 Minuten, das reicht für dreimal 800 Meter und eine Runde Nasebohren.
Frage: Was wäre für Dich ein Triathlon ohne Schwimmen?
Thomas: Das wäre wie Schwarzwälder Kirschtorte ohne Sahne. Schwimmen ist der Nervenkitzel an der ganzen Sache. Man weiß nie, ob man da lebend wieder raus kommt. Ohne Schwimmen wäre ein Triathlon langweilig.
Frage: Welche Disziplin im Triathlon ist Dir die liebste?
Thomas: Die Kombination aus Radfahren und Laufen ist ziemlich cool, wahrscheinlich habe ich Talent dazu. Ich kann gut laufen, auch wenn ich hart radgefahren bin, da kann ich dann aufholen, was ich beim Schwimmen verloren habe. Ohne Schwimmen wäre es so langweilig wie beim Duathlon: Nach dem ersten Laufteil bin ich schon in der Spitzengruppe und dann verändert sich nicht mehr viel. Beim Triathlon ist das bei mir andersrum. Ich wühle mich im Wettkampf gern nach vorn. Außerdem nehmen sich Duathleten viel zu ernst.
Thomas Philipp beim SchwimmausstiegFrage: Würdest Du gern übers Wasser laufen können?
Thomas: Das möchte ich nicht, nein. Lieber würde ich lange tauchen können, zum Beispiel wenn ich Kiemen hätte.
Frage: Welche Ziele oder welchen Wunsch hast Du persönlich im Bezug auf das Schwimmen?
Thomas: Ich will mal schwimmen wie die Großen. Eine Minute auf 1500 Meter schneller sein, oder auch 60 Sekunden.
Frage: Woran denkst Du während des Kraulens?
Thomas: 800, 750, 700, 650, 600,…..(noch zu schwimmende Meter, Anmerkung des Interviewers)
Frage: Warum gerade TG Tria Rüsselsheim?
Thomas: Wegen Torsten – Nein, wir sind nicht verheiratet. Aber nach meinem ersten Ironman sagte er, die TG Tria Rüsselsheim sei total cool. Da seien zwar auch einige Verbissene dabei, aber die meisten seien locker und mit Spaß dabei und nähmen sich selbst nicht so ernst.
Frage: Was bedeutet für Dich der Satz: „Jetzt komme ich aber ins Schwimmen…“?
Thomas: Falsch, es heißt: Jetzt komme ich aber ins Schwitzen! Ins Schwimmen komme ich erst wieder, wenn das Freibad wieder öffnet.
Frage: Wie schmeckt Chlor?
Thomas: Tja, es gibt schon Besseres, es schmeckt auf jeden Fall nicht nach Cola.

 

Herzlichen Dank an die Befragten für Eure Zeit und die guten Gespräche! Schwimmen scheint wohl in den Köpfen der Rüsselsheimer Triathleten ein fester und geschätzter Bestandteil des geliebten Ausdauerdreikampfes zu sein. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass immer wieder Rüsselsheimer Triathleten als Staffeln oder Einzeln bei 24 oder 12 Stunden-Schwimmveranstaltungen, beim 12 Kilometer Schwimmen in Köln oder bei der Durchquerung des Zürichsees anzutreffen sind. So weit musste wohl niemand in Mutters Bauch schwimmen…

Uwe Münch