Was kann man so machen, wenn man als Triathlet mal nicht am längsten Tag des Jahres mit einer Startnummer durch die Gegend rennt?
Zuschauen? – Kann man machen, ist aber auf die Dauer recht passiv
Zuschauen und Teilnehmen? – Na klar, als Helfer mit Vollkontakt.
So ergriff ich die Chance, mal auf der anderen Seite zu stehen und den langen Tag nicht zur Durststrecke für die Athleten werden zu lassen. Mikel und Meike, denen ich an dieser Stelle noch mal meinen großen Respekt aussprechen möchte, hatten die Organisation eines Verpflegungsstandes auf der Laufstrecke ca. 1,5 km vor dem Ziel übernommen. Dort meldete ich mich als Helfer an, mit dem Wunsch, Wasser anreichen zu dürfen. Ich hatte schon den Hintergedanken, daß ich mich dann wenigstens nicht mit klebriger Cola, Red Bull oder dem isotonischen Getränk vollkleckern würde und der aalbabbische Liebling aller Wespen und Ameisen werden würde. Ich stellte aber bald fest, daß es wichtiger ist, welches Wort am leichtesten zigtausendmal über Stunden auszusprechen ist.
Glücklicherweise ist der Ironman international, Variationen sind also durchaus erwünscht. Wie heißt Wasser eigentlich auf japanisch?
Apropos Japaner – gerade die Japaner haben für einen kurzfristigen Versorgungsengpaß am Wasser- und am Eisstand gesorgt. Während eine japanische Starterin auf unseren Stand zulief, wurde sie von einem Landsmann überholt. Während des Überholvorganges zückte der gute Mann doch tatsächlich eine Einwegkamera und fotografierte lächelnd seine Sportkollegin. Wenn das kein gelebtes Klischee ist, weiß ich es auch nicht. Peter am Eisstand und ich am Wasserstand konnten leider die nächsten 10 Sportler nicht bedienen, weil wir vor Lachen die Inhalte der Plastikbecher verschütteten.
Plastikbecher verschütten – das ist auch so eine Geschichte für sich. Würde ich die Koordinationsfähigkeit und Motorik von Triathleten testen müssen, ließe ich sie am Wasserstand nach Bechern greifen. Die Methodik reicht da von nahezu tropfenfreier Becheraufnahme bis zur kompletten Zerstörung des Gefäßes. Wie die Sportkollegen ohne Anreichung, also direkt vom Tisch, zu dem köstlichen Naß gekommen wären, mag ich mir nicht vorstellen. Wir haben ja so ein Beispiel eines Hochleistungsgreifers im eigenen Verein…“Darf ich schon mal abräumen….?“
Und das Thema Greifen hat noch weitere Aspekte: Runde für Runde gelang es, die Läufer so zu konditionieren, daß sich die Hand bei dem Wort „Wasser“ sofort zum Greifen öffnete, ob der Triathlet wollte oder nicht. Pawlow hatte recht.
Ob apathisch kalkgesichtig dahinstolpernd oder hochkonzentrierte Gazellenhaftigkeit im Schritt, Wasser ging immer. Vielleicht lag es auch an der marktschreierischen Anpreisung des Lebenselexiers, die die Sportler beflügelte, entweder kam ein Lächeln oder eine Tempoverschärfung – oder beides. Peter meinte, es wäre eher ein Fluchtreflex – ich habe mir eher ein Surfen auf meinem Wortschwall vorgestellt.
Ich hätte auch nie gedacht, daß man direkt am Wasserstand dem Verdursten nah sein könnte. Wenn mich irgendjemand mal fragen sollte, wie sich Vollbeschäftigung anfühlt, würde ich ihm den Wasserstand auf der Laufstrecke des Ironman empfehlen. Man hat es die ganze Zeit vor Augen, aber selbst mal einen Schoppen zu nehmen, kann schwierig werden. Da lief mir buchstäblich das Wasser im Munde zusammen.
Wenn ich jetzt einige Leser mit wässrigen Mündern nach einer Helfertätigkeit zurücklassen muß, würde es mich freuen. Außer schweren Armen sind viele schöne Erinnerungen geblieben – Zuschauen und Mitmachen ist toll!