Doppelt gelogen

 

Gibt es eigentlich ein Verb für: „wir starten bei einem Triathlon, der als Wettkampf der Hessischen Triathlon Liga gewertet wird“? Könnte dieses etwa: „wir sind gelogen“ lauten? Oder, um auch dem veranstaltenden Bundesland genüge zu tun: „wir sind gehesselogen“?

Wie auch immer, die Triathlon-Saison hat für das Jahr 2010 gerade eben begonnen und die TG-Triathleten sind bereits zweimal gehesselogen. Zu einer dritten Hesselogerei durch eine weitere Mannschaft hat es leider nicht gereicht. In diesem Jahr hat sich keine Damenmannschaft in der Triathlon-Abteilung zusammengefunden, um gemeinsam am Ligabetrieb teilzunehmen. Die männlichen Dreikämpfer fanden sich davon unbeeindruckt zur Bildung je einer Startgruppierung in der ersten Hessenliga und in der Seniorenliga zusammen. Die Hessenliga benötigt fünf muntere Recken für jeden der vier Wettkämpfe, während die Senioren mit vier frischen -oder bereits in die Jahre gekommenen- Vierzigern auskommen muss. Herren in den besten Jahren dürfen bei ihren drei Wettkämpfen in der Seniorenliga übrigens auch durch Damen unterstützt werden. Auch wenn die Vermutung nahe liegt, sind dies dann nicht etwa Pflegekräfte, die beim Anziehen der Stützstrümpfe helfen. Die Damen starten nach den gleichen Kriterien wie die Herren. In der Realität der Seniorenliga sind allerdings kaum Triathletinnen anzutreffen. Dies mag vielleicht daran liegen, dass das Alterskriterium „ab Erreichen des vierzigsten Lebensjahres“ auch so im Reglement formuliert ist und nicht etwa „ab Erreichen des vierzigsten Lebensjahres bei Männern und ab dem 25.++ Lebensjahr bei Frauen“ lautet. Dies ist allerdings wirklich nur eine Vermutung.

 

Zurück zum Sport. Die Herren in der 1. Hessenliga durften die Ligasaison mit ihrem ersten Wettkampf am 29. Mai eröffnen. Der Ederauen-Triathlon in Fritzlar bildet in der ersten Hessenliga einen außergewöhnlichen Start für die Einzelsportart Triathlon, weil er als Mannschaftssprint ein wirkliches ‚Miteinander’ erzeugt. Die 750 m Schwimmen, 20 km Radfahren und 5 km Laufen fordern von den fünf Athleten nicht nur Sprintfähigkeit ab, sondern auch die Anpassungsfähigkeit an die Leistung der mitstartenden vier Freunde. Während des Rennens dürfen die Abstände zwischen den Mannschaftsmitgliedern nie mehr als 45 Sekunden betragen, sonst führt dies zur Disqualifikation. Da Torsten Becker, Thomas Philipp, Frank Hoffmann, Christoph Lasinski und Mannschaftskapitän Uwe Münch in ihrer zweiten Saison in der 1. Hessenliga schon Erfahrung mit diesem Rennen in der gleichen Konstellation aufweisen, weiß man um die Stärken und Schwächen der anderen. Galt es in der Vorbereitung auf das letztjährige Rennen noch, das üblicherweise bei Triathlons verbotene und hier nun erwünschte Windschatten-Radfahren zu üben, beschränkten sich die fünf Freunde dieses Jahr neben der persönlichen Vorbereitung darauf, die schnellstmögliche Schwimmzeit zu ermitteln. Nach Start des Rennens im Ederauen-Erlebnis-Freibad nahm Torsten Becker als schnellster Schwimmer die Führungsposition ein. Die doch sehr stark von seinem eigenen Vermögen abweichende Leistungsfähigkeit seiner Mitstreiter ermöglichte es ihm, Teilstrecken im Rückenkraulstil zu schwimmen, um den Zusammenhalt seiner Mannschaft in seinem Wassersog besser überwachen zu können. Wie bei einer Seilfähre lässt sich durch sein exaktes Tempogefühl eine Geschwindigkeit vorwählen, die dann sekundengenaues Erreichen des Beckenrandes gewährleistet. Einer Entenfamilie gleich hüpften die Herren nach Erreichen des letzten Beckenrandes hinter Torsten Becker aus dem Wasser und stürmten gemeinsam auf ihre Fahrräder zu. Mit dem strahlenden Sonnenschein in nichts nachstehender guter Laune wurde noch tropfnaß die recht selektive Radstrecke in Angriff genommen. Hier zeigte sich am ersten Anstieg, der insgesamt zweimal zu erklimmen war, wie viel Leistung schon beim Schwimmen abgerufen wurde und nicht mehr über den Pneu auf die Straße übertragen werden konnte. Während sich Frank Hoffmann und Thomas Philipp auf ihre Arbeit als Zugpferde im Wind einstellten und sich über das Wetter, die Weltwirtschaft und die schöne Gegend unterhielten, fungierte Mannschaftsführer Uwe Münch als Schäferhund und hielt mit Anweisungen zur Geschwindigkeit die Mannschaft zusammen. Da anders als bei einem reinen Radrennen das Windschattenfahren zwischen den Mannschaften untersagt ist, muss auch ein Überholvorgang gut vorbereitet werden. Die Oberschenkel müssen die Kraft für die zügige Überwindung der 10 Meter Mindestabstand zur voraus fahrenden Mannschaft aufbringen können und dürfen sich auch von der weiter unten montierten zwickenden Wade nicht vor Beendigung des Überholvorganges beeindrucken lassen. Kaum war die Kuppe der ersten Steigung erklommen, reihten sich die rot-blau-weiß gestreiften TG-Athleten wie eine Perlenkette hinter den breiten Rücken und wirbelnden Beinen von Frank Hoffmann und Thomas Philipp ein, um tief geduckt mit Geschwindigkeiten jenseits der 50 km/h über die kurvige Strecke zu fliegen. Während sich bei den Rüsselsheimern die Freude an diesem Sport durch Jauchzer und gegenseitige Anfeuerung bemerkbar machte, klang es bei anderen Mannschaften manchmal nach Ausflügen in den Zoo. Weit und breit waren aber weder Paviane, brunftige Hirsche noch Orang Utans in Sicht.

Nach dieser Exkursion in die Tierwelt gelang den fünf Recken ein schneller Wechsel in die Laufschuhe. Die guten Schwimmer und leidlichen Radfahrer Torsten Becker und Uwe Münch wussten genau, dass in diesem Moment der eigentlich anstrengende Teil des Wettkampfes begann. Die Gummisohlen hatten noch nicht lange den Kontakt zum kiesbedeckten Waldboden gefunden, schon war die Freude an Gesprächen verflogen. Glücklicherweise lässt das Reglement des Mannschaftsrennens beim Laufen eine direkte Hilfe der Mitstreiter zu. Die nicht ausgelasteten Läufer Thomas Philipp und Frank Hoffmann umschwirrten die restliche Mannschaft und schoben die Mitstreiter mit helfender Hand und aufmunterndem Wort so manchen Meter über die Strecke. Kilometer 3 war kaum erreicht, als Torsten Becker den Wunsch äußerte, sein Rennen zu beenden. Von fünf Startern einer Mannschaft müssen nur vier gemeinsam ins Ziel kommen, um eine Wertung zu erreichen. Dramatische und atemlose Diskussionen spielten sich auf den folgenden Metern ab, die an Szenen aus einem Kriegsfilm erinnerten, in denen ein verletzter Kamerad zurückgelassen werden möchte. Schweren Herzens wurde der Freund seinem Schicksal überlassen, der sich sofort in die Büsche schlug, um in der Tarnung seinem Frühstück den Rückweg zu ermöglichen. Die Trauer der vier Verbliebenen um den auf der Strecke gebliebenen Mitstreiter ging zumindest bei Christoph Lasinski und Uwe Münch in der Atemnot unter. Bis zum Zieleinlauf konnte die Position gehalten werden, was zum Erreichen von Platz 10 von 14 Mannschaften führte. Die Freude über dieses Gemeinschaftserlebnis war über den gesamten Rennverlauf in der Rüsselsheimer Mannschaft spürbar, da jeder seinen Teil zum Gesamterfolg beitragen konnte. Der nächste Wettkampf in der ersten Hessenliga wird am 17. Juli 2010 in Bad Endbach als Einzelwettkampf mit Windschattenverbot ausgetragen.

Nun zur zweiten Logerei. Der erste Wettkampf der Seniorenliga wurde im Rahmen des Bürgerpark-Triathlons auf der Sprintdistanz als Einzelrennen mit Windschattenverbot ausgetragen. Die Disziplinen mit 550 Meter Schwimmen, 20 km Radfahren und 5 km Laufen sind hier auf engstem Raum von den Damstädtern sehr zuschauerfreundlich organisiert. Senioren-Mannschaftsführer Michael Schulz hatte mit seiner umfassenden Kenntnis der anderen Mannschaften im Vorfeld bereits Sieger und Platzierungen ausgerechnet. Der ausrichtende Verein hat sich trotzdem dafür entschieden, das Rennen auszurichten und sich bei der Preisvergabe nicht auf die Vorberechnungen verlassen. Der Rennverlauf war dann doch spannend und den Triathleten der TG Rüsselsheim wäre auch so manches Vergnügen entgangen. Lange vor dem für die Seniorenliga angesetzten Starttermin kurz vor Mittag sammelte Michael Schulz seine Recken Thomas Kröll und Jörg Lipps um sich. Doch wo war der vierte ältere Herr? Bernd Burow hatte sich am Vortag eine Verletzung am Fuß zugezogen und am Wettkampfmorgen seine Laufunfähigkeit festgestellt. Wo nun so schnell einen Ersatzstarter hernehmen? Uwe Münch freute sich derweil darüber, als Sieger der ersten Startgruppe des Tages und seiner Altersklasse im Zielbereich seinen Freund Michael Schulz zu entdecken. Gratulationen und Fragen nach dem Wohlbefinden wurden ausgetauscht und beantwortet, als Uwe Münch seinen Ohren nicht trauen konnte. Ob er nicht zwei Stunden später für die Seniorenliga starten wolle, wurde er vom Kapitän der Mannschaft gefragt. Die Freude über das Ende der Belastung und auf die ersehnte Erholung für den Rest des Tages währte nur kurz. Die erste Saison als Jung-Senior sollte also mit einem Doppelstart beginnen. Die Aufregung vor dem Schwimmstart war in der Mannschaft deutlich spürbar, das ist ein altersunabhängiger Effekt. Mit viel Adrenalin gefüllte Athleten brachten das Wasser im Schwimmbecken nach dem Startschuß zum Kochen. Kurz hintereinander verließen Uwe Münch, Michael Schulz und Thomas Kröll in wilder Hatz das Becken, etwas später folgte Jörg Lipps. Michael Schulz legte einen phänomenalen Wechsel in die Radschuhe vor und sprang als erster der TG-Senioren auf das Fahrrad. Die viermal zu durchfahrende und mit engen Kurven versehene Radstrecke bot einen guten Überblick für die Athleten und ließ keinen Zweifel an der Leistung der Mitstreiter. Die TG Triathleten offenbarten unter der Darmstädter Sonne ihre Leistungsdichte und entfernten sich nicht weit voneinander. Thomas Kröll sah auch keine Notwendigkeit, zu nah auf die vor ihm fahrende Gruppe aufzuschließen. Die würde er mit seiner schnellen Wechseltechnik vom Radfahren zum Laufen und der darauf folgenden Leistungsentfaltung im Laufschuh schon einholen. Gesagt, getan: Der kurz vor ihm vom Fahrrad gesprungene und sich neben ihm umziehende Uwe Münch konnte aus dem Augenwinkel die blitzschnellen Bewegungen seines Kumpanen kaum verfolgen, da war dieser schon davongelaufen. Der Rest der kupierten Laufstrecke war eine einzige hitzeflimmernde Atemlosigkeit, getränkt mit dem Schweiß des Jagdfiebers. Dies fand unter den vier TG Senioren erst mit dem beglückwünschenden Schulterklopfen im Ziel ein Ende. Die Seniorenmannschaft darf sich über einen fünften Platz von 18 Mannschaften freuen und für den nächsten Start am 8. August beim Fuldatal-Triathlon sammeln.

Zwei Mannschaftsrennen haben die Triathleten der TG Rüsselsheim nun also schon erfolgreich bestritten. Das Fazit ist eindeutig: Doppelt gestartet – doppelt gelogen, gehesselogen.