Feldbergtour 2005 – Ein Bericht von Gerrit R.

Gewöhnliche Triathleten schwimmen im Pazifik, fahren mit dem Mountainbike über die Alpen oder rennen auf’s Schildhorn. TG Triathleten dagegen fahren mit dem Rad auf den Feldberg. Alle Jahre wieder, in der Zeit um die Jahreswende. Dann, wenn Petrus Schifahren ist und das Wettermachen seinen Lehrlingen überlässt.

Der Termin diesmal: 19. Dezember 2005. 10:00 Uhr Abfahrt an der TG mit Mountainbike oder Trekkingrad, egal welche Bedingungen herrschen. Es gibt kein schlechtes Wetter, nur ein zu dünnes Radtrikot…

 

Der SWR3 Weatherman meldet für diesen Tag Schneetreiben, -3°C bis -10°C und eine steife Brise aus Nord-Nordost. Als wir uns am Parkplatz der TG treffen, um die Rucksäcke mit den trockenen Radsachen für die spätere Abfahrt in den Begleitfahrzeugen zu verstauen, ist es so kalt, dass sich der Hund von Michael B. bei „sitz“ nicht setzt, sondern, damit er nicht festfriert, stets zwei Zentimeter Abstand zum eiskalten Asphalt hält (echt schlau, dieser Hund!).

 

Pünktlich setzt sich der Tross aus ca. 15 vermummten Triathletinnen, Triathleten und sonstigen Feldbergbegeisterten in Richtung des ersten Teiletappenziels, Königsstein, in Bewegung. In der grauen Wintertristesse bietet bis dorthin die Strecke wenig Reiz. Dafür kann man sich umso besser mit allen lang nicht gesehenen Vereinsfreunden unterhalten, denn wir fahren Zweierreihe und an jedem Ampelstop durchmischt sich die Radgruppe neu (sämtliche Dialoge entspringen dem lückenhaften Gedächtnis des Autors und haben so bestimmt nie stattgefunden… :

 

2005-19-12_Feldbergtour_XMas-Swim.jpg„Hi Martina, wie geht’s?“ „Gut. Dass man dich mal wieder sieht!“ „Wieso? Ich war doch gestern erst beim Weihnachtsschwimmen. Bin noch völlig platt vom Schwimmen mit T-Shirt und Mütze. Aber ich war zum ersten Mal in meinem Leben beim Weihnachtsschwimmen nicht in der Verlierergruppe. Und ich musste auch keinen Schokokuss essen, weil ich die 50m Tauchen mit zweimal Atmen nicht geschafft habe. Ist ja echt eklig, ey. Wow, was ist das denn da für ein interessantes Kugelgelenk an deinem hinteren Schnellspanner?“ „Das ist eine Anhängerkupplung für einen Fahrradkinderwagen“ „Oh, toll!“ Rote Ampel.

„Hey, Micha, siehst Du dort das Ortsschild von Flörsheim? Micha? Wo bist Du? — Aaarrgh, Mist, schon wieder nix mit der Sprintwertung!“ Rote Ampel (gleich hinter dem Ortsschild).

„Du Uwe, ich finde das toll, dass Du aus jeder noch so gewöhnlichen Situation einen lustigen Spruch ableiten kannst.“ „He-he, na, ja, aber manchmal sind auch doofe Sprüche dabei, da muss dann meine Umwelt drunter leiden, ho-ho.“ „OK, aber ohne die doofen Sprüche gäb’s auch keine lustigen Sprüche.“ „Mmmh, nun, ja, das stimmt, hi-hi…siehst Du dort das Ortsschild von Königsstein?“

 

 

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Wie jedes Jahr treffen wir uns in Königsstein auf dem Parkplatz vor dem Hallenbad. Es gibt heißen Orangensaft aus dem Begleitbus, und die alten Hasen geben den Neuen letzte Tipps wie man die  steile Strasse auf den Feldberg am besten fährt. Die vier Neuen, die dieses Mal dabei sind, brauchen diese Tipps allerdings nicht. Schon beim ersten Anstieg nach Königsstein treten sie beherzt in die Pedale und wir sehen sie erst auf dem Gipfel wieder. Selbst Bernd B., der dieses Jahr große Pläne für den Titel „Feldbergtour-Feldbergzuerstobenankommer“ hat, kann ihnen nicht folgen. Er ist allerdings auch geschwächt durch ein grimmiges Darmgrimmen, welches überall für Druck sorgt, nur nicht auf seiner Pedale. Ansonsten fährt jeder sein Tempo und innerhalb einer halben Stunde nach den heute unschlagbaren vier Neuen (wer sind die eigentlich? Ich fürchte, ich muss doch mal wieder öfter ins Training kommen…) trudelt jeder der Expeditionsteilnehmer auf seine Art oben ein.

 

 

 

 

Nach dem Sturm auf den Gipfel dann der Sturm auf dem Gipfel: Auf dem 830m ü.R. (über Rüsselsheim) gelegenen Feldberg bläst ein solch eisiger Wind, dass wir uns in die Nischen und Erker des Sendeturmes verkriechen, um etwas geschützt zu sein. Sehr Durchgefrorene dürfen auch in den Begleitbus. Und Michael B.s Hund verlässt das Auto seines Herrchens erst gar nicht.

 

2005-19-12_Feldbergtour_2.jpgWir ziehen die mitgebrachten trockenen Sachen an und füllen die am Anstieg verbrauchten Kalorien wieder auf. Mit Erbseneintopf, heißem Orangensaft und von Michael B.s Freundin selbstgemachten Power-Riegeln, die soviel Power enthalten, dass ein Biss genügt, um für die nächsten 8 Stunden kein Hungergefühl zu bekommen.

Das sollte reichen für die Abfahrt: „Komm’, Micha, ich frier’ mir n’ Ast. Lass uns runterfahren!“ Drei paar Handschuhe übereinander, trockene Radsachen, Mütze unter Helm, Überschuhe und Schneebrille schützen gegen Blizzards, Antarktis-Expeditionen und eisige Höhen des Mount Everest, nicht aber gegen die fiese Hagel-Sturm-Eis-Schnee-Dreck-und-Streusalz-vom-Vordermann-Mischung einer dezemberlichen Feldbergabfahrt. Die Hände sind so kalt, dass ich trotz leichtgängigen Hydraulikscheibenbremsen das Rad vor den sulzigen Kurven der Serpentinen kaum zum Stehen bekomme. Die einzige unbedeckte Stelle am Körper, die Wangenknochen, bizzeln leise vor sich hin, während die Zähne umso lauter klappern: „Gerrit, bist Du noch da?“ „Klapperklapperklapperklapper…“ „Okay, dann ist ja alles klar!“. Obwohl Micha und ich als Erste vom Feldberg losgefahren sind, überholen uns kurz vor der Mainbrücke nach Rüsselsheim noch die fantastischen Vier. Was hatten die heute bloß in ihren Radflaschen? Aha, sie haben oben mehrere von den selbstgemachten nie-wieder-Hunger Power-Riegeln gegessen.

 

Zurück an der TG verabschieden wir uns wortkarg voneinander, steifgefrorene Gelenke und klappernde Münder lassen die üblichen, herzlichen Zeremonien nicht zu. Einige gehen noch in die Sauna, andere lassen sich lieber am heimischen Ofen auftauen. Und Michael B.s Hund freut sich auf seine Decke und dass er nirgendwo festgefroren ist.

 

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